Wirres Zeug am 16.1.
Es ist fraglich, ob die Welt durch den Wein klarer oder vernebelt wird. Ich selbst gehöre zu den Alkoholikern, die Jack London folgend beschreibt:
"Der andere Trinkertyp hingegen hat Einbildungskraft und Visionen. Selbst im schwersten Rausche geht er aufrecht und gerade, schwankt und fällt nicht, sondern weiß immer genau, wo er ist und was er tut. Nicht sein Körper ist trunken, sondern sein Hirn. Er kann von Geist strahlen, von Kameradschaftlichkeit überströmen. Oder er kann jene Gespenster und Visionen des Geistes sehen, die natürlich und logisch wirken und die Gestalt von Vernunftschlüssen annehmen. In diesem Zustand streift er die Schale von den gesundesten Illusionen des Lebens und betrachtet ernsthaft den eisernen Reif der Notwendigkeit, der um den Hals seiner Seele geschmiedet ist. Das ist die Stunde, da König Alkohol seine feinsten Kräfte entfaltet. Es ist kein Kunststück, in einen Rinnstein zu fallen. Aber es ist eine schreckliche Feuerprobe für einen Mann, aufrecht und sicher auf den Beinen zu stehen und festzustellen, daß es auf der ganzen Welt nur eine einzige Möglichkeit gibt, seine Freiheit zu gewinnen - nämlich, seinem Todestage vorzugreifen. Dann hat dieser Mann die Stunde der weißen Logik [...] erreicht, und dann weiß er, daß er nur die Gesetze, nie aber ihren Sinn erkennen kann. Das ist die Stunde der Gefahr für ihn. Dann beschreitet er den Weg, der ins Grab führt."
(Jack London, König Alkohol S. 9)
Ich bin nie betrunken umgefallen oder an zufälligen Orten eingeschlafen. Meine Kontrollsucht verbietet zu merkwürdige Aussetzer. Es ist wohl so, daß Kontrolle und Sucht ein Gegenteil darstellen sollen, doch bleibt bei exzessivem Konsum mitsamt willentlichem Aspekt ein Faktor an erster Stelle, und das ist der eigene Tod. London stellt es schon dar und wenn man so ein Feigling wie ich ist, bleibt nur der langsame, schleichende Tod via Abhängigkeit. Feigling? Ja, ich habe Höhenangst, so paradox es klingen mag. Klingen finde ich trotz 68 eigens zugeführten Narben dennoch plump und unangenehm. Tabletten wären in Ordnung.
Ich besuchte neulich einen Vortrag der Autorin und Philosophin Thea Dorn zum Thema des Menschen und des Konflikts, in welchem sie sagte, daß ein konfliktloses Universum ein totes Universum sei. Ich kam nicht umhin den Umkehrschluss zu sehen, der da lauten würde, daß ein totes Universum ein harmonisches Universum ist. Tod sein ist bestimmt ein Nicht-Sein, wie ein Schlaf. Wie das samstagmorgendliche Aufwachen unter der warmen Decke, wissend um die viele Freizeit und halb träumend, aber warm, gemütlich warm. Glücklich.
Gibt es eine Macht, die bestimmte Menschen Richtung Ende drängt? Ganz bestimmt. Hunter S. Thompson hatte seinen Selbstmord lange Zeit ganz selbstverständlich angekündigt und keiner seiner Verwandten war überrascht, als es soweit war. Zweifelsohne wäre es müßig weitere Beispiele für diesen Trieb zu nennen, denn gäbe es derer zu viele, ja, sogar ganze Bewegungen die sich dem Tod mehr oder weniger bewusst verschrieben.
Die bildende Kunst aber soll es sein, die den Beitrag gebührend erweitert. Bezüglich des "Angelus Novus" von Paul Klee gibt es die weltweit bekannt gewordene Interpretation von Walter Benjamin, welche den Engel in einem Licht sieht, daß von Zivilisationsschwäche, Fortschrittsmüdigkeit und Wandelsunwillen geprägt ist. Das Paradies lässt alle später aufkommenden Momente des Menschen als fade, abgegriffen und lau dastehen. Tatsächlich beschrieb zum Beispiel E.M. Cioran seine Kindheit als paradiesisch, aber auch Menschen wie Ian Brady betonten, daß sie eine vollkommene Welt vor dem höchstpersönlichem Sündenfall mal erlebt haben. Auch mir ging das so.
Am Ende eines solches Abends, lieber Leser, bleibt nicht mehr als der ewig als Echo wiederkehrende Satz von Cioran:
"Es gibt in der Tatsache, geboren zu werden, einen solchen Mangel an Notwendigkeit, daß man, wenn man einmal mehr als gewöhnlich darüber nachdenkt, mit einem dümmlichen Lächeln dasteht, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten soll."
(E. M. Cioran)
Wenn ich Atheist wäre, würde ich niemals arbeiten gehen. Ich verspüre keine Verpflichtungen gegenüber dem Staat oder dieser kapitalistischen Gesellschaft. Man ist doch nur ein Blinzeln der Geschichte, ein Staubkorn, ach bitte, weitaus weniger. Viele Menschen in der Geschichte haben Großes getan und niemand erinnert sich heute dran. Nicht daß Ruhm etwa ewiges sei, aber wofür das alles, frage ich? Die letzte Generation arbeitete bis zum Tod und ich gestehe, ich weiß das zu respektieren. Respekt ist aber kein Nachvollziehen. Bin ich zu eigen? Mag sein. Ja, mag sein. Ich verstehe schon, wenn jemand arbeitet um dem Nachwuchs etwas zu bieten, doch verschließt sich mir die Einsicht bei harter Arbeit zum Wohle der Firma oder ähnlichem. Aber auch das ist müßig.
Ich habe mich sicherlich einfach der Sünde der Acedia verschuldet. Ohja, ich liebe das Nichtstun, und dazu sei gesagt, daß ich mehreren Arbeitsplätzen gleichzeitig diene. Mein Wesen selbst aber unterstützt das nicht. Ja, ich hasse Arbeit. Nicht prinzipiell, aber individuell.
I can´t load a bullet and I can´t use a gun. ♫♫♫
I can have no children, so I won´t have a son. ♫♫♫
I can´t wake up early, so nothing will grow. ♫♫♫
I lay on my land till the sun hangs low. ♫♫♫
(Reverend Glasseye - God help you, dumb Boy)
Ich hatte mal eine Phase, in der ich Anarchie und Primitivismus hoch gelobt habe, praktisch als Ideologie, die das Gute im Menschen in den Vordergrund hebt, gemäß der Theorie, daß in einem natürlich belassenen Umfeld solche Erben wie Bösartigkeit, Hass und Verbrechen erst gar nicht ent- und bestehen. Ohja, im Rausch der Ideologisierung macht ja jeder Unfug Sinn und man ist gerne bereit auch die fiesesten argumentativen Streiche zu nutzen um das zivilisatorische Argument auszustechen, jedoch, was habe ich mir vorgemacht, es ist nutzlos. Der Mensch war immer der Mensch, egal in welchem Umfeld. Man war nie ein Tier, getrieben von Instinkten. Man war nie ein Stein, getrieben vom Nichts. Man war nie eine Pflanze, getrieben von Notwendigkeit. Man ist eben nur Mensch, geplagt von allen Schwächen, aber in erster Linie vom biblischen Gen 1, 28 wo es heißt "Seid fruchtbar und mehret euch [...]", wobei sich selbstverständlich "furchtbar" und "fruchtbar" wohl verwechselten.
Doch freue ich mich über mein Benutzerbild, denn es zeigt mich gerade besser als es jedes Foto könnte.
Gute Nacht, ihr Lieben.
"Der andere Trinkertyp hingegen hat Einbildungskraft und Visionen. Selbst im schwersten Rausche geht er aufrecht und gerade, schwankt und fällt nicht, sondern weiß immer genau, wo er ist und was er tut. Nicht sein Körper ist trunken, sondern sein Hirn. Er kann von Geist strahlen, von Kameradschaftlichkeit überströmen. Oder er kann jene Gespenster und Visionen des Geistes sehen, die natürlich und logisch wirken und die Gestalt von Vernunftschlüssen annehmen. In diesem Zustand streift er die Schale von den gesundesten Illusionen des Lebens und betrachtet ernsthaft den eisernen Reif der Notwendigkeit, der um den Hals seiner Seele geschmiedet ist. Das ist die Stunde, da König Alkohol seine feinsten Kräfte entfaltet. Es ist kein Kunststück, in einen Rinnstein zu fallen. Aber es ist eine schreckliche Feuerprobe für einen Mann, aufrecht und sicher auf den Beinen zu stehen und festzustellen, daß es auf der ganzen Welt nur eine einzige Möglichkeit gibt, seine Freiheit zu gewinnen - nämlich, seinem Todestage vorzugreifen. Dann hat dieser Mann die Stunde der weißen Logik [...] erreicht, und dann weiß er, daß er nur die Gesetze, nie aber ihren Sinn erkennen kann. Das ist die Stunde der Gefahr für ihn. Dann beschreitet er den Weg, der ins Grab führt."
(Jack London, König Alkohol S. 9)
Ich bin nie betrunken umgefallen oder an zufälligen Orten eingeschlafen. Meine Kontrollsucht verbietet zu merkwürdige Aussetzer. Es ist wohl so, daß Kontrolle und Sucht ein Gegenteil darstellen sollen, doch bleibt bei exzessivem Konsum mitsamt willentlichem Aspekt ein Faktor an erster Stelle, und das ist der eigene Tod. London stellt es schon dar und wenn man so ein Feigling wie ich ist, bleibt nur der langsame, schleichende Tod via Abhängigkeit. Feigling? Ja, ich habe Höhenangst, so paradox es klingen mag. Klingen finde ich trotz 68 eigens zugeführten Narben dennoch plump und unangenehm. Tabletten wären in Ordnung.
Ich besuchte neulich einen Vortrag der Autorin und Philosophin Thea Dorn zum Thema des Menschen und des Konflikts, in welchem sie sagte, daß ein konfliktloses Universum ein totes Universum sei. Ich kam nicht umhin den Umkehrschluss zu sehen, der da lauten würde, daß ein totes Universum ein harmonisches Universum ist. Tod sein ist bestimmt ein Nicht-Sein, wie ein Schlaf. Wie das samstagmorgendliche Aufwachen unter der warmen Decke, wissend um die viele Freizeit und halb träumend, aber warm, gemütlich warm. Glücklich.
Gibt es eine Macht, die bestimmte Menschen Richtung Ende drängt? Ganz bestimmt. Hunter S. Thompson hatte seinen Selbstmord lange Zeit ganz selbstverständlich angekündigt und keiner seiner Verwandten war überrascht, als es soweit war. Zweifelsohne wäre es müßig weitere Beispiele für diesen Trieb zu nennen, denn gäbe es derer zu viele, ja, sogar ganze Bewegungen die sich dem Tod mehr oder weniger bewusst verschrieben.
Die bildende Kunst aber soll es sein, die den Beitrag gebührend erweitert. Bezüglich des "Angelus Novus" von Paul Klee gibt es die weltweit bekannt gewordene Interpretation von Walter Benjamin, welche den Engel in einem Licht sieht, daß von Zivilisationsschwäche, Fortschrittsmüdigkeit und Wandelsunwillen geprägt ist. Das Paradies lässt alle später aufkommenden Momente des Menschen als fade, abgegriffen und lau dastehen. Tatsächlich beschrieb zum Beispiel E.M. Cioran seine Kindheit als paradiesisch, aber auch Menschen wie Ian Brady betonten, daß sie eine vollkommene Welt vor dem höchstpersönlichem Sündenfall mal erlebt haben. Auch mir ging das so.
Am Ende eines solches Abends, lieber Leser, bleibt nicht mehr als der ewig als Echo wiederkehrende Satz von Cioran:
"Es gibt in der Tatsache, geboren zu werden, einen solchen Mangel an Notwendigkeit, daß man, wenn man einmal mehr als gewöhnlich darüber nachdenkt, mit einem dümmlichen Lächeln dasteht, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten soll."
(E. M. Cioran)
Wenn ich Atheist wäre, würde ich niemals arbeiten gehen. Ich verspüre keine Verpflichtungen gegenüber dem Staat oder dieser kapitalistischen Gesellschaft. Man ist doch nur ein Blinzeln der Geschichte, ein Staubkorn, ach bitte, weitaus weniger. Viele Menschen in der Geschichte haben Großes getan und niemand erinnert sich heute dran. Nicht daß Ruhm etwa ewiges sei, aber wofür das alles, frage ich? Die letzte Generation arbeitete bis zum Tod und ich gestehe, ich weiß das zu respektieren. Respekt ist aber kein Nachvollziehen. Bin ich zu eigen? Mag sein. Ja, mag sein. Ich verstehe schon, wenn jemand arbeitet um dem Nachwuchs etwas zu bieten, doch verschließt sich mir die Einsicht bei harter Arbeit zum Wohle der Firma oder ähnlichem. Aber auch das ist müßig.
Ich habe mich sicherlich einfach der Sünde der Acedia verschuldet. Ohja, ich liebe das Nichtstun, und dazu sei gesagt, daß ich mehreren Arbeitsplätzen gleichzeitig diene. Mein Wesen selbst aber unterstützt das nicht. Ja, ich hasse Arbeit. Nicht prinzipiell, aber individuell.
I can´t load a bullet and I can´t use a gun. ♫♫♫
I can have no children, so I won´t have a son. ♫♫♫
I can´t wake up early, so nothing will grow. ♫♫♫
I lay on my land till the sun hangs low. ♫♫♫
(Reverend Glasseye - God help you, dumb Boy)
Ich hatte mal eine Phase, in der ich Anarchie und Primitivismus hoch gelobt habe, praktisch als Ideologie, die das Gute im Menschen in den Vordergrund hebt, gemäß der Theorie, daß in einem natürlich belassenen Umfeld solche Erben wie Bösartigkeit, Hass und Verbrechen erst gar nicht ent- und bestehen. Ohja, im Rausch der Ideologisierung macht ja jeder Unfug Sinn und man ist gerne bereit auch die fiesesten argumentativen Streiche zu nutzen um das zivilisatorische Argument auszustechen, jedoch, was habe ich mir vorgemacht, es ist nutzlos. Der Mensch war immer der Mensch, egal in welchem Umfeld. Man war nie ein Tier, getrieben von Instinkten. Man war nie ein Stein, getrieben vom Nichts. Man war nie eine Pflanze, getrieben von Notwendigkeit. Man ist eben nur Mensch, geplagt von allen Schwächen, aber in erster Linie vom biblischen Gen 1, 28 wo es heißt "Seid fruchtbar und mehret euch [...]", wobei sich selbstverständlich "furchtbar" und "fruchtbar" wohl verwechselten.
Doch freue ich mich über mein Benutzerbild, denn es zeigt mich gerade besser als es jedes Foto könnte.
Gute Nacht, ihr Lieben.
Märzhase - 16. Jan, 06:04