10
Mrz
2015

Selbstverfluchung

Wenn ich schon ein Notizbuch in der Hand habe, kann ich eigentlich auch noch eine weitere abtippen. Da ich mehrere solcher Notizbücher habe, liegen manchmal die Texte zeitlich weit auseinander. Die Entgiftung (weiter unten) dürfte 2 Jahre her sein, der folgende Text circa 5 Jahre.

Heute soll es also so weit sein. Wo in den letzten Tagen noch Lichtstrahlen ins Dunkle schienen, dort ist jetzt jede Hoffnung und jeder Wunsch nach Helligkeit in einer verspielt-bösartigen Weise mit vielen Bauch- und Kopftreffern zu Boden gestreckt worden. Die Menschheit und das Leben sind ein einziger Fluch, eine einzige ekelhafte Pest. Es ist mein klares Schicksal in dieser Welt nur Schmerz und Kummer erleiden zu müssen. Nun soll der linke Pfad mein Weg sein. Schmerz, Verachtung, Bosheit, Wille, Befriedigung sollen nun mein Auge und mein Herz füllen. Ich schreibe diese Zeilen in einem klaren Kopf und wenn ich diesen Text einmal lese und immer noch Heiterkeit spiele, so soll Schande über mich kommen. Wolfszeit, Beilzeit.

Die Geister, die ich rief.

Notizen aus der Gefangenschaft

Diesen kleinen Text schrieb ich, als ich das letzte mal weggesperrt war, für eine 10-tägige Entgiftung, welche Prozedere der Suchthilfe ist:

"Stadt, Land, Fluß" wurde nicht mit den Patienten im Hause 6.4. gespielt, da der Tag auch bereits 12 Stunden und 3 Tavor alt war. Somit fing der Gruppenleiter an zu sprechen und trug den Patienten die einzige obwohl unangekündigte Alternative zu.

"Ich werdet sterben (wenn ihr so weiter macht)" sagte er über eine halbe Stunde voll Monolog verteilt. Ausdrücke wie "bluten wie ein Schwein", "am eigenen Blut ersticken", sowie "man verblödet" wurden gewandt mit verschiedener Gestik und Mimik vorgetragen. Eine davon mit einem majestätisch erhobenen Kopf mitsamt emotionsloser Stimme, eine andere süffisant, nur unterbrochen von Ausbrüchen des Lachens.
Die Nebendarsteller reagieren gemischt darauf. Ein Mann schaut mit offenem Mund und hochrotem Gesicht den Rücken des Vorträgers an. Eine Dame, permanent den Blick auf den Boden gesenkt, wiederholt jeden Anfang und jedes Ende der Sätze des Erzählers. Mehrere Zuschauer verschränken nur die Arme und schweigen. Die Augen sprechen von Scham, Desinteresse oder Trauer.
Der Autor dieser Zeilen zittert vor Wut. Das ist ihm noch nie passiert. Der Großteil seiner Aufmerksamkeit gilt Uhr und Tür.
"Ihr werdet alle sterben (wenn ihr so weiter macht)". Beginn und Pointe.


So darf der geneigte Leser sich die Ferien des Schreibers vorstellen. Nicht zu empfehlen.

Tick, Tack

Am 7.4. soll nun also der Termin sein, an dem mein freies Leben endet und sich ab dato in einer geschlossenen Region mitsamt befohlener Befolgung derer Regeln abspielt.

Noch immer kann ich mich dem Gedanken noch nicht ganz hingeben. Ich habe neuerlich versucht mein Innenleben in verschiedene Ebenen und Muster zu katalogisieren. Drei Überschriften wären sicherlich Zorn (Asozialität), Angst und Anhedonie (gepaart mit Wehrlosigkeit), alle durchdrungen von menschlichen Aspekten wie Verständnis, Ambition (wer schreibt sonst diesen Text) und zumindest dem eigenen Wohlwollen.

Ich kann über den Ausblick auf diese Maßnahme, wenn ich nicht gerade wie ein Ball durch oben beschriebene Anhedonie von Anderen durch den Alltag geschnipst werde, nichts Gutes vermuten. Ich war bereits in solchen Maßnahmen, ich kenne die Worte, die Methoden, die lächelnden Gesichter, aber auch die Leichtgläubigkeit.

Ich bin übrigens ein genialer Lügner. Die Mitarbeiter vom Suchthilfezentrum glauben bis heute, daß ich seit über einem Jahr nichts mehr getrunken habe. Ich war sogar einmal verkatert bei einer Sitzung und wurde auf die Fahne angesprochen. Trotzdem konnte ich die Zweifel ausreden. Warum gehe ich überhaupt hin werden manche zurecht fragen? Ich erzähle gerne von mir. Aber das kann nicht alles sein. Auf Hilfe habe ich es offensichtlich nicht abgesehen, denn liegt es auf der Hand, daß Mitarbeit des Patienten für den Erfolg absolut notwendig ist. Ich möchte sogar sagen, daß ich keine Ambitionen habe meinen Habitus zu ändern, mehr noch, es nie hatte.

Und das sind die Erfolgsaussichten der anstehenden Therapie, sie sind nicht existent. Es macht mir keine Probleme 2-3 Monate lang gute Mine zum bösen Spiel zu machen oder für diese Dauer auf Alkohol zu verzichten, im Gegenteil, es fällt mir leicht.

Dennoch überlege ich an einer Absage, einfach wegen der selben Unlust, welche mich erst in diese Situation gebracht hat. Unlust es den notwendigen Personen wie dem Arbeitsplatz zu erzählen, Unlust auf das repetitive Geschwafel in der Einrichtung, Unlust auf die Besorgungen die einem solchen Aufenthalt vorausgehen, Unlust nicht mehr völlig alleine sein zu können.

Die Uhr tickt und verlangt eine Entscheidung. Zum Wohl.
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