Gerichtstermin #3
Richter: Meine Damen und Herren, bitte setzen sie sich. Wir führen nun den gestrigen Prozess fort und zwar mit dem Thema welches willentlich übergangen wurde. Das wären die Gefühle des erwiesenen Täters Haigha Hase zum Tatzeitpunkt. Ich bitte sie, schildern sie den emotionalen Ablauf des Mordes, wenn möglich, von Anfang bis zum Ende.
Haigha: Sehr gerne, auch wenn ich glaube, daß es Zeit in Anspruch nehmen wird.
Richter: Wir haben Zeit.
Haigha: Die Empfindungen, welche zu der Tat führten sind eindeutig die eines Suchtkranken. Ein tiefes Verlangen, in diesem Falle Richtung Tod und Mordtat. All das wird bei mir noch betont durch ein Gefühl danach, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Richter: Unterbrechung. Wie stellt sich dieses Gefühl dar?
Haigha: Es war so, daß ich mich sehr geärgert hätte, wenn ich den klassischen Indikator eines Serienkillers nicht erreicht hätte. Das heißt, drei Taten in kurzen temporären und lokalen Abständen. Ich wollte diesen Anspruch erreichen um in ein Genre des Mörders zu fallen. Im Endeffekt, und das weiß ich, ist das nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit.
Richter: Wollen sie uns erzählen, daß sie auch dieses Szenario gerade nur zur ihrer Bühne machen?
Haigha: Eure Ehren, so ist es. Ich leugne es nicht.
Richter: Fahren sie in der gegebenen Kontinuität fort.
Haigha: Die Tat sollte also eindeutig sein, auch einem Raster entsprechen, da ich aber nicht zu schnell gefasst werden wollte, außerhalb des üblichen Profilings liegen. Das ist ein Aspekt, den ich nicht aufrecht halten konnte. Ich glaube, wenn Täter nach Jahren das Gefühl haben, daß es besser ist geschnappt zu werden, ich hatte das schon vor der ersten Tat.
Richter: Geben sie nun ihre emotionalen Erlebnisse des ersten Mordes wieder.
Haigha: Während ich, wie in der letzten Sitzung erwähnten Stimmung „Jagd“ war, redete ich mir immer wieder ein, daß ich es eh nicht machen würde und meine Anwesenheit auch zu nichts führe. Als ich dann das Opfer ausmachte und sah, daß die Gelegenheit günstig war, sprang das emotionale Konstrukt sofort in den Monolog: „Das ist perfekt. Es wird so gut funktionieren, daß es eh niemals jemand herausfinden kann“ rum. Die letzten Sekunden vor dem Zuschlagen waren ein einziger Adrenalinrausch. Leise sein, gut treffen. Aber auch dieser Rausch schloss sich an einen anderen an, nämlich dem, sich des Kadavers zu entledigen. Diese Szene war gefüllt von nüchterner Pseudoprofessionalität, sowie dem Gedanken trotz Trunkenheit sich Sicherheit einzureden. Der Weg nach Hause war der tollste Rausch meines Lebens. Ungewissheit, Tiefe, Höhe, Überraschung, Erwartung. Ich stand auf einem Berg und die ganze Welt schaute auf mich. Sogar Gefühle der Angst erwischt zu werden wurden von der Begeisterung eingenommen und änderten sich dazu, daß man auf jeden Fall etwas erledigt, etwas geschafft hatte. Ich kann das nicht beschreiben. Es war am ehesten der Orgasmus einer existenziellen Notlage. An sich kein vollkommener, weil nicht anhaltender Prozess, aber dennoch ein Höhepunkt. Es war das Beste was ich in meinem Leben erreicht hatte.
Richter: Hatten sie keine Angst?
Haigha: Doch, aber das kam später. Nach dem Gedanken eine längst zu erledigende Tat vollbracht zu haben, folgte die Angst erwischt zu werden. Manchmal klingelte es morgens an der Tür meiner Wohnung und ich fuhr zusammen. Am Vorabend hatte ich die wenigen Stunden noch gefeiert und gedacht, daß sie ewig sind. Aber als es klingelte schien die Zeit nicht lange genug gewesen zu sein. Bis zuletzt war es nur ein Postbote oder ein Verirrter. Ich kam mir vor wie ein Perverser mit einer abnormen Neigung. Während des Aktes war man erregt, danach erotisch angespannt. Wurde man gesehen? Hat jemand das spezielle Prozedere bemerkt? Nachdem der sexuelle Rausch aber abklingt kommt sowas wie Peinlichkeit hoch, sowas wie Scham. Beim Töten ist es nicht anders. Sex ist dem Mord sehr ähnlich.
Richter: Welches war ihr dominantes Gefühl beim Verzehren der Leichenteile?
Haigha: Es gab einen präsenten Teil wissenschaftlicher Neugier, ein Teil welches von Grenzüberschreitung berichtete. Ich kann sagen, daß auch der Verzehr ein Höhepunkt war. Man muss sich vorstellen, daß ein jahrelang ersehntes Ziel sich nun im Abschluss befand. Gut, daß Ziel wurde geschmiedet von abartigen Fantasien, doch ist das für mich immer irrelevant gewesen. Punkt ist, es war ein Plan, geschmiedet über Jahre, den ich vollendete. Ich war glücklich, befreit, erfolgreich. Und wenn es auch nur für wenige Sekunden so schien.
Richter: Und wie fühlen sie sich jetzt?
Haigha: Durch die völlige Bewusstheit über die Schwere meiner Taten fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet, welche vielleicht dazu helfen würde, daß sich ein Ich nicht wiederholt. Ich bin keineswegs gewillt Schuld von mir zu schieben, Herkünfte psychologischer Einflüsse überzubewerten, oder äußerlichen Faktoren eine Teilschuld zu geben. So funktioniert die Welt nicht. Die Abstinenz von mörderischen Dokumentation, das Fehlen von sexuellem Input, Abwesenheit von medialer Brutalität. Ich stünde heute hier wie je zuvor. In meinen Augen ist es eine Macht, ein Fatum daß den Mörder macht. Ich war zum Mörder bestimmt. Wenn ein geborener Künstler sich nicht ausleben kann, wird er zu einem Mörder. Lasst das euch gesagt sein.
Richter: Wir schließen diese Sitzung nun und fahren morgen fort. Bringen sie den Herrn Hase wieder in seine Zelle, den anderen Zuschauern wünsche ich noch einen schönen Tag und wir sehen uns morgen wieder.
Haigha: Sehr gerne, auch wenn ich glaube, daß es Zeit in Anspruch nehmen wird.
Richter: Wir haben Zeit.
Haigha: Die Empfindungen, welche zu der Tat führten sind eindeutig die eines Suchtkranken. Ein tiefes Verlangen, in diesem Falle Richtung Tod und Mordtat. All das wird bei mir noch betont durch ein Gefühl danach, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Richter: Unterbrechung. Wie stellt sich dieses Gefühl dar?
Haigha: Es war so, daß ich mich sehr geärgert hätte, wenn ich den klassischen Indikator eines Serienkillers nicht erreicht hätte. Das heißt, drei Taten in kurzen temporären und lokalen Abständen. Ich wollte diesen Anspruch erreichen um in ein Genre des Mörders zu fallen. Im Endeffekt, und das weiß ich, ist das nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit.
Richter: Wollen sie uns erzählen, daß sie auch dieses Szenario gerade nur zur ihrer Bühne machen?
Haigha: Eure Ehren, so ist es. Ich leugne es nicht.
Richter: Fahren sie in der gegebenen Kontinuität fort.
Haigha: Die Tat sollte also eindeutig sein, auch einem Raster entsprechen, da ich aber nicht zu schnell gefasst werden wollte, außerhalb des üblichen Profilings liegen. Das ist ein Aspekt, den ich nicht aufrecht halten konnte. Ich glaube, wenn Täter nach Jahren das Gefühl haben, daß es besser ist geschnappt zu werden, ich hatte das schon vor der ersten Tat.
Richter: Geben sie nun ihre emotionalen Erlebnisse des ersten Mordes wieder.
Haigha: Während ich, wie in der letzten Sitzung erwähnten Stimmung „Jagd“ war, redete ich mir immer wieder ein, daß ich es eh nicht machen würde und meine Anwesenheit auch zu nichts führe. Als ich dann das Opfer ausmachte und sah, daß die Gelegenheit günstig war, sprang das emotionale Konstrukt sofort in den Monolog: „Das ist perfekt. Es wird so gut funktionieren, daß es eh niemals jemand herausfinden kann“ rum. Die letzten Sekunden vor dem Zuschlagen waren ein einziger Adrenalinrausch. Leise sein, gut treffen. Aber auch dieser Rausch schloss sich an einen anderen an, nämlich dem, sich des Kadavers zu entledigen. Diese Szene war gefüllt von nüchterner Pseudoprofessionalität, sowie dem Gedanken trotz Trunkenheit sich Sicherheit einzureden. Der Weg nach Hause war der tollste Rausch meines Lebens. Ungewissheit, Tiefe, Höhe, Überraschung, Erwartung. Ich stand auf einem Berg und die ganze Welt schaute auf mich. Sogar Gefühle der Angst erwischt zu werden wurden von der Begeisterung eingenommen und änderten sich dazu, daß man auf jeden Fall etwas erledigt, etwas geschafft hatte. Ich kann das nicht beschreiben. Es war am ehesten der Orgasmus einer existenziellen Notlage. An sich kein vollkommener, weil nicht anhaltender Prozess, aber dennoch ein Höhepunkt. Es war das Beste was ich in meinem Leben erreicht hatte.
Richter: Hatten sie keine Angst?
Haigha: Doch, aber das kam später. Nach dem Gedanken eine längst zu erledigende Tat vollbracht zu haben, folgte die Angst erwischt zu werden. Manchmal klingelte es morgens an der Tür meiner Wohnung und ich fuhr zusammen. Am Vorabend hatte ich die wenigen Stunden noch gefeiert und gedacht, daß sie ewig sind. Aber als es klingelte schien die Zeit nicht lange genug gewesen zu sein. Bis zuletzt war es nur ein Postbote oder ein Verirrter. Ich kam mir vor wie ein Perverser mit einer abnormen Neigung. Während des Aktes war man erregt, danach erotisch angespannt. Wurde man gesehen? Hat jemand das spezielle Prozedere bemerkt? Nachdem der sexuelle Rausch aber abklingt kommt sowas wie Peinlichkeit hoch, sowas wie Scham. Beim Töten ist es nicht anders. Sex ist dem Mord sehr ähnlich.
Richter: Welches war ihr dominantes Gefühl beim Verzehren der Leichenteile?
Haigha: Es gab einen präsenten Teil wissenschaftlicher Neugier, ein Teil welches von Grenzüberschreitung berichtete. Ich kann sagen, daß auch der Verzehr ein Höhepunkt war. Man muss sich vorstellen, daß ein jahrelang ersehntes Ziel sich nun im Abschluss befand. Gut, daß Ziel wurde geschmiedet von abartigen Fantasien, doch ist das für mich immer irrelevant gewesen. Punkt ist, es war ein Plan, geschmiedet über Jahre, den ich vollendete. Ich war glücklich, befreit, erfolgreich. Und wenn es auch nur für wenige Sekunden so schien.
Richter: Und wie fühlen sie sich jetzt?
Haigha: Durch die völlige Bewusstheit über die Schwere meiner Taten fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet, welche vielleicht dazu helfen würde, daß sich ein Ich nicht wiederholt. Ich bin keineswegs gewillt Schuld von mir zu schieben, Herkünfte psychologischer Einflüsse überzubewerten, oder äußerlichen Faktoren eine Teilschuld zu geben. So funktioniert die Welt nicht. Die Abstinenz von mörderischen Dokumentation, das Fehlen von sexuellem Input, Abwesenheit von medialer Brutalität. Ich stünde heute hier wie je zuvor. In meinen Augen ist es eine Macht, ein Fatum daß den Mörder macht. Ich war zum Mörder bestimmt. Wenn ein geborener Künstler sich nicht ausleben kann, wird er zu einem Mörder. Lasst das euch gesagt sein.
Richter: Wir schließen diese Sitzung nun und fahren morgen fort. Bringen sie den Herrn Hase wieder in seine Zelle, den anderen Zuschauern wünsche ich noch einen schönen Tag und wir sehen uns morgen wieder.
Märzhase - 13. Feb, 03:55