13
Feb
2014

Gerichtstermin #3

Richter: Meine Damen und Herren, bitte setzen sie sich. Wir führen nun den gestrigen Prozess fort und zwar mit dem Thema welches willentlich übergangen wurde. Das wären die Gefühle des erwiesenen Täters Haigha Hase zum Tatzeitpunkt. Ich bitte sie, schildern sie den emotionalen Ablauf des Mordes, wenn möglich, von Anfang bis zum Ende.

Haigha: Sehr gerne, auch wenn ich glaube, daß es Zeit in Anspruch nehmen wird.

Richter: Wir haben Zeit.

Haigha: Die Empfindungen, welche zu der Tat führten sind eindeutig die eines Suchtkranken. Ein tiefes Verlangen, in diesem Falle Richtung Tod und Mordtat. All das wird bei mir noch betont durch ein Gefühl danach, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Richter: Unterbrechung. Wie stellt sich dieses Gefühl dar?

Haigha: Es war so, daß ich mich sehr geärgert hätte, wenn ich den klassischen Indikator eines Serienkillers nicht erreicht hätte. Das heißt, drei Taten in kurzen temporären und lokalen Abständen. Ich wollte diesen Anspruch erreichen um in ein Genre des Mörders zu fallen. Im Endeffekt, und das weiß ich, ist das nur ein Schrei nach Aufmerksamkeit.

Richter: Wollen sie uns erzählen, daß sie auch dieses Szenario gerade nur zur ihrer Bühne machen?

Haigha: Eure Ehren, so ist es. Ich leugne es nicht.

Richter: Fahren sie in der gegebenen Kontinuität fort.

Haigha: Die Tat sollte also eindeutig sein, auch einem Raster entsprechen, da ich aber nicht zu schnell gefasst werden wollte, außerhalb des üblichen Profilings liegen. Das ist ein Aspekt, den ich nicht aufrecht halten konnte. Ich glaube, wenn Täter nach Jahren das Gefühl haben, daß es besser ist geschnappt zu werden, ich hatte das schon vor der ersten Tat.

Richter: Geben sie nun ihre emotionalen Erlebnisse des ersten Mordes wieder.

Haigha: Während ich, wie in der letzten Sitzung erwähnten Stimmung „Jagd“ war, redete ich mir immer wieder ein, daß ich es eh nicht machen würde und meine Anwesenheit auch zu nichts führe. Als ich dann das Opfer ausmachte und sah, daß die Gelegenheit günstig war, sprang das emotionale Konstrukt sofort in den Monolog: „Das ist perfekt. Es wird so gut funktionieren, daß es eh niemals jemand herausfinden kann“ rum. Die letzten Sekunden vor dem Zuschlagen waren ein einziger Adrenalinrausch. Leise sein, gut treffen. Aber auch dieser Rausch schloss sich an einen anderen an, nämlich dem, sich des Kadavers zu entledigen. Diese Szene war gefüllt von nüchterner Pseudoprofessionalität, sowie dem Gedanken trotz Trunkenheit sich Sicherheit einzureden. Der Weg nach Hause war der tollste Rausch meines Lebens. Ungewissheit, Tiefe, Höhe, Überraschung, Erwartung. Ich stand auf einem Berg und die ganze Welt schaute auf mich. Sogar Gefühle der Angst erwischt zu werden wurden von der Begeisterung eingenommen und änderten sich dazu, daß man auf jeden Fall etwas erledigt, etwas geschafft hatte. Ich kann das nicht beschreiben. Es war am ehesten der Orgasmus einer existenziellen Notlage. An sich kein vollkommener, weil nicht anhaltender Prozess, aber dennoch ein Höhepunkt. Es war das Beste was ich in meinem Leben erreicht hatte.

Richter: Hatten sie keine Angst?

Haigha: Doch, aber das kam später. Nach dem Gedanken eine längst zu erledigende Tat vollbracht zu haben, folgte die Angst erwischt zu werden. Manchmal klingelte es morgens an der Tür meiner Wohnung und ich fuhr zusammen. Am Vorabend hatte ich die wenigen Stunden noch gefeiert und gedacht, daß sie ewig sind. Aber als es klingelte schien die Zeit nicht lange genug gewesen zu sein. Bis zuletzt war es nur ein Postbote oder ein Verirrter. Ich kam mir vor wie ein Perverser mit einer abnormen Neigung. Während des Aktes war man erregt, danach erotisch angespannt. Wurde man gesehen? Hat jemand das spezielle Prozedere bemerkt? Nachdem der sexuelle Rausch aber abklingt kommt sowas wie Peinlichkeit hoch, sowas wie Scham. Beim Töten ist es nicht anders. Sex ist dem Mord sehr ähnlich.

Richter: Welches war ihr dominantes Gefühl beim Verzehren der Leichenteile?

Haigha: Es gab einen präsenten Teil wissenschaftlicher Neugier, ein Teil welches von Grenzüberschreitung berichtete. Ich kann sagen, daß auch der Verzehr ein Höhepunkt war. Man muss sich vorstellen, daß ein jahrelang ersehntes Ziel sich nun im Abschluss befand. Gut, daß Ziel wurde geschmiedet von abartigen Fantasien, doch ist das für mich immer irrelevant gewesen. Punkt ist, es war ein Plan, geschmiedet über Jahre, den ich vollendete. Ich war glücklich, befreit, erfolgreich. Und wenn es auch nur für wenige Sekunden so schien.

Richter: Und wie fühlen sie sich jetzt?

Haigha: Durch die völlige Bewusstheit über die Schwere meiner Taten fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet, welche vielleicht dazu helfen würde, daß sich ein Ich nicht wiederholt. Ich bin keineswegs gewillt Schuld von mir zu schieben, Herkünfte psychologischer Einflüsse überzubewerten, oder äußerlichen Faktoren eine Teilschuld zu geben. So funktioniert die Welt nicht. Die Abstinenz von mörderischen Dokumentation, das Fehlen von sexuellem Input, Abwesenheit von medialer Brutalität. Ich stünde heute hier wie je zuvor. In meinen Augen ist es eine Macht, ein Fatum daß den Mörder macht. Ich war zum Mörder bestimmt. Wenn ein geborener Künstler sich nicht ausleben kann, wird er zu einem Mörder. Lasst das euch gesagt sein.

Richter: Wir schließen diese Sitzung nun und fahren morgen fort. Bringen sie den Herrn Hase wieder in seine Zelle, den anderen Zuschauern wünsche ich noch einen schönen Tag und wir sehen uns morgen wieder.

12
Feb
2014

Gerichtstermin #2

Richter: Meine Damen und Herren, bitte setzen sie sich. Ich begrüße sie zu diesem zweiten Verhandlungstag, betreffend den Vorfall rund um die Taten des Herrn Hase. Wir fahren nun fort mit der Befragung, zuerst bezüglich des Tathergangs an sich. Hier möchte ich die Zuhörer mit einem schwachen Magen vorwarnen, denn könnten die Ausführungen jenen vielleicht strapazieren. Bitte schildern sie, Herr Hase, nun den ersten Vorfall.

Haigha: Das werde ich, euer Ehren. Es gab zahlreiche Obdachlose die mich, wie in der gestrigen Sitzung erwähnt, durch ihre penetrante Art im Alltag ärgerten, doch war mein erstes Opfer keiner dieser Sorte. Er war allerdings einer der ersten Obdachlosen, die mir in dieser Stadt ins Blickfeld traten. Ich sah ihn oft mit seinen vielen Taschen und sogar einer Sackkarre um all seinen Unfug zu transportieren. Er schlief manchmal im Vorraum einer Bank unweit meines Hauses. Wenn ich ihn in der Fußgängerzone sah, führte er immer empörte Selbstgespräche. Mir war klar, daß ihn niemand vermissen würde.

Richter: Unsere Gesellschaft vermisst Menschen, Herr Hase. Egal an welcher Position sie stehen. Sagen sie mir, wie spielte sich die Tat selbst ab, nachdem wir nun erahnen können wie ihre Opferselektion ablief?

Haigha: Ein prekärer Schritt einer Person mit solch dunklen Fantasien ist der vom einfachen Grübeln zum Stalken. Man fängt an sich umzuschauen, ist quasi auf der Jagd. Diese dunkle Seite von der ich gestern sprach trieb mich des nachts nach draußen, in erster Linie augenscheinlich gar nicht mit bösartigen Absichten, doch war es schon so, daß ich die abendlichen Wanderrouten der Obdachlosen somit täglich studieren konnte. Ich sah wo sie her gingen und wo sie schliefen und im Endeffekt war es nur eine Frage der Zeit bis ich das ausnutzen würde.

Richter: Welche Wurzeln hatte ihr modus operandi?

Haigha: Vieles war ein Überbleibsel eines Rituals meinerseits, welches ich vor vielen Jahren in einer Zeit welche ich meine esoterische Phase nenne, benutzt hatte. Ich führte dieses zeitgleich mit Freunden aus Wien durch. Es nannte sich Pooka-Ritual, galt dem kleinen und grünen Volk und übte damals großen Eindruck auf mich aus. Ich trug während des Akts eine schwarze Maske, welche Teil des Rituals war und war mit einer Sichel bewaffnet.

Richter: Also war Ihnen das Ritual so wichtig, daß sie es in ihre Straftaten einbinden wollten?

Haigha: Das würde ich nicht mal sagen. Ich wollte nicht erkannt werden und erinnerte mich, daß ich eine schwarze Maske in meinem Schrank hatte. Ich wollte aber auch keine neuen Mordwerkzeuge kaufen, weil man diese eventuell zurück verfolgen könnte. Insofern gab ich mich mit dem zufrieden was ich hatte und benutzte es einfach entsprechend. Ich hätte eventuell davon abgesehen wenn ich mich mit der Idee des Pookas oder genauer des Tricksters gar nicht identifizieren könnte, aber mir gefiel die Vorstellung gut genug, als daß ich es im Endeffekt wirklich verwendete.

Richter: Gut, gut. Zurück zum Tathergang.

Haigha: Es lief so ab, daß ich bei meinen abendlichen Rundgängen die genannte Ausrüstung schon bei mir trug, sicher verpackt in einem Rucksack. Ich war also bei Sichtung des Opfers nach kurzer Zeit bereit meine monatelang gereifte Fantasie in die Tat umzusetzen.

Richter: Was taten sie dann?

Haigha: Also, ich sah den bereits erwähnten Bettler…

Richter: Obdachlosen.

Haigha: Den bereits erwähnten Obdachlosen an dem bekannten Fluss entlang laufen, warf in einer nahe gelegenen dunklen Ecke meinen Rucksack in die Wiese, zog meine Kapuze über, meine Maske an und nahm die Sichel. Ich schlich mich dann von hinten an, wobei ich durch die Selbstgespräche und die Trunkenheit des Obdachlosen nicht gehört wurde. An sich war die Sichel ein unpraktisches Werkzeug, weil sie nicht besonders scharf war. Ich musste also die Spitze nutzen und mit einem Schlag das Werk wenn möglich gleich beenden. Der Plan war jene Spitze in die Halsschlagader zu rammen und durch die Hebelwirkung welche eine Sichel bietet das Opfer gleich so gut es geht Richtung Fluss zu bewegen. Die Menge des Bluts war weitaus mehr als ich dachte, die Lautstärke des Opfers dagegen aber weitaus weniger. Ich möchte hier kurz betonen, daß es sich nicht toll anfühlte. Es war schwierig, unangenehm, belastend, anstrengend und sogar eklig. Das Töten selbst war keineswegs eine tolle oder schöne Erfahrung, im Gegenteil.

Richter: Fahren sie bitte fort über den Tathergang zu sprechen. Zu ihrer Gefühlswelt kommen wir später.

Haigha: Das werde ich, entschuldigen sie. Wie bereits erwähnt war der Blutverlust extremer als ich erwartet hatte, doch die Gegenwehr wiederrum auch weniger kompliziert als ich zuvor annahm. So beendete sich der Todeskampf schon nach gefühlten Sekunden, obwohl es mir schwer fällt den eigentlichen Todeszeitpunkt richtig einzuschätzen. Der weitere Verlauf bewog mich den Leichnam dann in die erstbeste Quelle von Wasser zu versenken, weil ich mal gelesen hatte, daß das die Spuren besser verwischt. Das ist so ziemlich genau der Ablauf des ersten Mordes. Der Obdachlose wurde völlig überrascht. Er sagte nichts bis auf etwas röcheln und ich hoffe, daß er auch nicht lange Schmerz spürte. Mir war die Blutlache in der Nähe des Gehwegs zwar unangenehm, doch musste ich diese einfach in Kauf nehmen, insbesondere im Hinblick auf meinem damals sofort einsetzenden Fluchtmechanismus.

Richter: Sie unterschlagen hier willentlich ein Detail?

Haigha: Nicht wirklich, Herr Richter. Das Detail auf welches sie womöglich hinaus wollen wäre dann in meiner Abhandlung über die emotionalen Tiefen der Tat betont worden.

Richter: Bitte erläutern sie dem Gericht jetzt wovon sie sprechen.

Haigha: Sehr wohl. Ein großer Teil meiner Taten beinhaltete es, ein Stück aus dem Leichnam zu schneiden und in meiner Wohnung zu verzehren.

Richter: Warum taten sie das?

Haigha: Ehrlich gesagt gab es schon öfters in verschiedensten Freundeskreisen meinerseits Diskussionen darüber wie Menschenfleisch wohl schmeckt. Ich glaube mein Gedankengang war so gestimmt, daß wenn ich schon jemanden umbringe, ich auch gerade diese alte Frage für mich klären kann. Es war also ein Akt von Neugier und guter Gelegenheit, so peinlich es mir auch ist das zu gestehen.

Richter: Trennten sie die Hautschichten ihrer Opfer mit der Sichel ab?

Haigha: Nein, ich benutzte dafür scharfe Messer, welche ich von meinen Eltern zu Weihnachten bekam.

Richter: Wir schließen diese Sitzung nun und fahren morgen fort. Bringen sie den Herrn Hase wieder in seine Zelle, den anderen Zuschauern wünsche ich noch einen schönen Tag und wir sehen uns morgen wieder.

11
Feb
2014

Gerichtstermin #1

Richter: Wir finden uns heute ein um den Fall des Herrn Hase zu besprechen. Ihm wird vorgeworfen im Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.3.2014 6 Menschen ermordet zu haben. Herr Hase, plädieren sie auf schuldig oder nicht schuldig?

Märzhase: Nicht schuldig, mit Verweis auf geistige Beschwerden.

Richter: Also nehmen wir nun den Prozess auf. Im Detail wird ihnen vorgeworfen in besagter Zeit 6 städtische Obdachlose mit einer Sichel des Nachts ermordet zu haben. Sie haben zur Beweistilgung deren Körper danach in den lokalen Fluss geworfen. Das Gericht ist der Überzeugung, daß diese Taten mit einem gesunden Geist und geplanter Absicht geschahen. Ich verhöre sie nun und frage sie, ob die Taten geplant waren?

Märzhase: Das waren sie. Ich verspürte seit geraumer Zeit eine Abwärtsspirale welche kontinuierlich von mir Besitz ergriff und in diesen verhängnisvollen Nächten sein Eigenleben entwickelte. Es erschien mir, als gäbe es keine Alternative.

Richter: Also gestehen sie die Taten?

Märzhase: Ja, das tue ich.

Richter: Fühlen sie Reue?

Märzhase: Einerseits nicht, denn war die Tat ein gewissermaßen aktiver Prozess und lief unter dem Motto der Mafia „Just business, nothing personal“. Doch empfinde ich den Verlust der potenziellen Familien und Freunden nach. Das Motto dominiert aber, ich hatte das Gefühl es einfach tun zu müssen.

Richter: Sie sprachen von einer Abwärtsspirale, erläutern sie das.

Märzhase: Mein Leben lang hatte ich das Gefühl mich eher auf der düsteren Seite der Seele wiederfinden zu können. Das lief sehr lange vor sich hin, spitzte sich aber nach und nach zu. In den 6 Monaten vor der ersten Tat erreichte es einen Höhepunkt. Mein Alltag bestand fast ausschließlich im Lesen von Serienmörderbiographien und dem Auseinandersetzen mit ähnlichen Themen, Zwischendurch durchsuchte ich Pornoseiten mit dem Suchbegriff "corpse" oder "blood". Ich hatte einfach den Todesblick. Sicherlich mit meinem Input zusammenhängend ging ich durch die Welt und sah nur Tod. Wenn ein Hubschrauber über mich flog sah ich ihn abstürzen. Wenn ich eine Person sah, die mich ärgerte, und das waren 99% der Menschen, stellte ich mir vor wie ich sie folterte. Die letzte Umsetzung war einfach ein gefühlt natürlicher Schritt.

Richter: Herr Hase, man kann seinen Input bestimmen, genau wie die eigenen Taten. Die Wahl der eigens zugeführten Medien liegt in der Macht jedes Einzelnen. Viele schauen sich aus eventuell sadistischer Neugier solche Sachen an und gehen danach ihrem friedlichen Alltag nach. Sie aber scheinen sich willentlich gefüttert zu haben. Ich sehe da ausschließlich einen bewussten Akt des Selbstverderbens und keine Form von geistigen Problemen.

Märzhase: Eure Ehren, es ist in meinen Augen auch nicht das Planen und das organisierte Durchführen, was für meine Problematik spricht, sondern der Trieb an sich. Religiöse wurden vielleicht von einem Dämon oder Satan selbst sprechen, der von mir Besitz ergriff. Ich selbst habe es gegenüber meiner Therapeutin immer als „dunkle Ecke“ bezeichnet. Ich bin mir sicher, daß jeder von seiner jeweiligen Position abhängig eine andere Bezeichnung für dieses Verlangen hat. Doch möchte ich betonen, daß es von mir Besitz ergriff und ich ihm nicht die Türe zu meinem Wesen offen gehalten habe. Ich möchte mich nicht direkt als Opfer bezeichnen, aber auch nicht als Täter.

Richter: Für das Gericht, Herr Hase, sind sie dadurch Täter, daß sie mit einem Mordwerkzeug das Leben Unschuldiger nahmen. Wir sind hier um das zu besprechen.

Märzhase: Das ist mir bewusst.

Richter: Es ist dem Gericht bekannt, daß sie ein Alkoholproblem haben. Welche Rolle spielte das bei ihren Taten?

Märzhase: Ich war bei den Taten immer angetrunken. Ich betrachte mich als einen Feigling und der Alkohol half auf dieser Ebene.

Richter: Welche Rolle spielte er bei der von ihnen erwähnten Abwärtsspirale?

Märzhase: Eine große Rolle. Ich betrachtete den Alkohol immer als eine Art Schubser in das weitere Verderben. Meine Sucht machte es mir deshalb nicht leichter, denn wollte ich trinken, aber wenn ich trank kamen Fantasien über Mord und Tod.

Richter: Wie viel tranken sie zu diesem Zeitpunkt?

Märzhase: Etwa 2 Flaschen Wein pro Abend. Selten mehr.

Richter: Dem Gericht ist bekannt, daß sie selbstverletzendes Verhalten zeigten. Welche Rolle spielte das?

Märzhase: Eine große. Wenn ich mich betrank und das Dunkle Besitz von mir ergriff war das Zufügen von Wunden eine gute Methode den Drang zu befriedigen. Ich genoss den Anblick des Blutes und war regelrecht froh die Wunden zu sehen. Es machte mich glücklich.

Richter: Taten sie es um Aufmerksamkeit zu erlangen oder um sich umzubringen?

Märzhase: Weder noch. Ich denke, ich empfand einfach den Anblick des Blutes als befriedigend. Nicht sexuell wohlgemerkt, aber ich hatte immer das Gefühl etwas richtig gemacht zu haben.

Richter: All ihre Opfer kamen aus dem sozialen Bereich derer, die man als Obdachlose bezeichnet. Warum waren diese ihre bevorzugten Ziele?

Märzhase: Meine Psychologin weiß, daß ich immer eine sehr paradoxe Verbindung zu Bettlern hatte. Auf der einen Seite war ich immer schnell Freund mit ihnen, weil mein persönlicher Lebensstil mich diesen eigentlich sehr nahe brachte. Ich mochte immer Verzweiflung und Randgruppen, wobei sich beides in dieser Gesellschaftsschicht verbindet. Ich sagte sogar einmal einem Bettler der mich nach Geld fragte, daß ich mich in den nächsten Wochen neben ihn setzen werde, weil auch ich am absteigen bin. Allerdings, wie so vieles war auch hier meine Sicht zu der Situation ambivalent. Die Suchtberatung zog mich mal damit auf, daß ich keinen Satz sagen kann ohne ein „ , aber...“ einzubauen und auch hier ist es nicht ganz so einfach. Auf der anderen Seite habe ich diesen Menschenschlag auch gehasst. Da ich so viel in meiner eigenen Welt lebte, empfand ich deren Betteln als Eindringen und projizierte meinen Hass somit schnell auf sie. Es war eine Art Abwehrreaktion. Außerdem, aus praktischen Gründen, sind sie einfache Ziele. Oft betrunken, des Nachts unterwegs und die Gesellschaft vermisst sie auch nicht wirklich.

Richter: Sie sprachen von ihrer eigenen Welt. Wie sah diese aus?

Märzhase: Mein Leben ist eine Fantasiewelt. Da in meiner Kindheit und Jugend nur Krieg herrschte, konnte ich ohne eine alternative Welt nicht leben. Mein tyrannischer Stiefvater machte mir bis ich wegzog das eigene Heim zu einer Kriegszone. Das Mobbing in der Schule, sowie die verschiedenen aggressiven Schlägerbanden in den umliegenden Dörfern machte auch jede Situation außerhalb des Hauses zu einem Akt permanenter und zwanghafter Aufmerksamkeit. Die Anstrengung nicht aufzufallen war so immens, daß die eigene Imagination ein stetiger Hort war und Sicherheit versprach. Es war quasi alles was ich hatte.

Richter: Das soll es für heute gewesen sein. Weitere Fragen in der nächsten Sitzung. Bringen sie den Herrn Hase wieder in seine Zelle, den anderen Zuschauern wünsche ich noch einen schönen Tag.

6
Feb
2014

Eine Wanderung

Wie fühlt sich der Autor dieses Blogs eigentlich im Alltag? Eine Dokumentation dieser Gefühlswelt wurde mal nieder geschrieben und hier ist sie. Auch bereitet unter der Kategorie "Altes" und auch einer der wenigen früheren Texte meinerseits, die ich auch heute noch ohne Ekel lesen kann.

Eine Wanderung

Entgegen der wäldlichen Idylle der bisherigen Wanderungen fängt diese mitten in der Stadt an und findet ihr Ende auch dort. Die Eindrücke zeugen keineswegs von der Faszination über die natürlichen Geheimnisse, sondern vom städtischen Alltag in all seinem durchschaubaren Fatalismus.

Sie beginnt an Stelle X, so trivial wie all die Anlaufplätze, die man täglich so anstrebt. Die Gedanken bewegen sich im eigenen Kosmos, drehen sich um die Tagesplanung, Vergangenheit und Zukunft, Philosophie und die Musik, die man durch Kopfhörer aufnimmt. Die Aufmerksamkeit führt ins Innere, bis zu diesem Zeitpunkt.

Viele Tauben springen über den Gehweg, in ihrer plump und angespannt wirkenden Manier nach Nahrung suchend, pickend und schon längst nicht mehr scheu. Bis auf eine. Diese ist keineswegs angespannt, liegt sie doch mit allen Vieren von sich gestreckt und aus dem Mund blutend mitten auf dem Gehweg. Sicherlich von einem der wenigen Autos überfahren, die den Fußgängerweg durchqueren. Nur ein Vieh, denken sicherlich die meisten. Kein Verlust, gibt eh zu viele. Auch der Autor bleibt nicht stehen, nachdem er den leblosen Körper gesehen hat. Doch prägt sich das Bild ein. Mitgefühl vermischt sich mit Tatendrang. Soll man sie aufsammeln? Begraben? Also, irgendwas sollte man doch machen. Ein Tier, sicherlich, doch ehemals auch ein Leben. Es ist dem Autor zuwider das Leben so verachtend einzuteilen, daß man auf bestimmte Ausformulierungen der Äußerlichkeit unterschiedlich reagieren sollte. Traurigkeit stellt sich ein und mittlerweile liegt die tote Taube auch bereits viele Meter hinter einem.

Irokesenschnitt, Lederjacke mit Anarchie-Patches, und seine Augen circa 30 Zentimeter vor ihm auf sein Smartphone gerichtet. Ob dieser Jugendliche, der dem Autor entgegen kommt, den toten Vogel auch bemerken wird? Sicherlich nicht. Aber warum eigentlich? Nicht nur, weil seine Aufmerksamkeit offensichtlich außerhalb dieses Weges angesiedelt ist. Naja, vielleicht bemerkt er ihn ja auch. Aber wird das auch zu einem inneren Monolog führen oder zur Seite geschoben? Sicherlich nur ein Vieh. Auf der anderen Seite, für den toten Körper selbst wird der Autor einen ähnlichen Unterschied machen wie der Jugendliche. Keinen. Irokesen und Smartphones. Das soll mal einer verstehen.

Den Bettler zu seiner Linken hat er aber definitiv nicht gesehen. Der Autor erinnert sich, eben jenem noch vor wenigen Wochen etwas Geld gegeben zu haben. Dabei weiß er schon, daß es keine wirkliche Hilfe ist. Betteln baut keine Existenzen auf. Vielleicht hat der Mann sich später eine Flasche Schnaps von gekauft. Aber der Blick des Bettlers, als er das Geld bekam, ist dem Autor noch im Gedächtnis geblieben. Es gab kein Lächeln, keine Danksagungen. Er blickte einfach nur mit seinem erschöpften Gesicht mal nicht auf den Boden sondern nach oben. Aber dieses mal bekommt er nichts, weil man ohnehin kein Geld dabei hat. Man glaubt nicht mal bemerkt worden zu sein. Er ist zu sehr damit beschäftigt sich an seinen Hund zu pressen und zu wippen um die Kälte zu bekämpfen. Gleichzeitig ruft Paul Sorvino dem Wanderer mit seinem fantastischen Tenor zu ruhigem Klavier in die Ohren:

GOLD, IT MAKES THE WORLD GO ‘ROUND.
GOLD, IT MAKES THE WORLD GO ‘ROUND.


Die eigene Haustür erscheint wie ein Hafen. Als die Tür ins Schloß fällt sind die Bilder ausgesperrt. Gott sei Dank
.

Reste und Seelen

Ich schreibe schon ewig, aber es gibt nur wenige frühere Texte, die mir auch heute noch gefallen. Diese möchte ich unter der Kategorie "Altes" in diesen neuen Blog integrieren.

Ein alter Text ist eine persönliche, halbfiktive Horrorgeschichte. Viel Spaß.

Reste und Seelen

Weder das „Pulver des Lebens“ wurde mir geschenkt, noch ist mein Name Urfin. Aber ich bin ja auch nicht die Fantasiegestalt eines verwirrten Russen, noch dient mir meine Erschaffung oder ist willentlich gezeugt. Mein Verbrechen ist Unachtsamkeit und sicherlich auch Naivität, denn könnte ich vor dieser starken Veränderung meines Lebens eben diese nicht kommen sehen, nein, hätte niemals mit gerechnet. Ich bin kein Träumer, kein Esoteriker, Drogensüchtiger oder Gestörter. Ich bin ein Mann in den 20ern, habe eine Freundin, gehe zur Uni und studiere bodenständige Themengebiete. Mein Leben ist eigentlich „im Griff“, doch bezweifle ich auch nicht, daß meine folgenden Ausführungen so manche pathologische Charakteristik aufweisen wird. Aber ich bin nicht krank. Die Erscheinungen sind gleichbleibend, ja, mehr noch, so regelmäßig, logisch und eindeutig, daß von Krankheit gar keine Rede sein kann.

Entgegen irgendwelcher Horrorklischees schreibe ich diese Worte nicht kurz vor einem Selbstmord oder einer baldigen Eskalation auf, sondern einfach, weil ich Angst habe, und zwar, vor einer Ungewissheit die ich für meinen künftigen Lebensweg erahne. Ich beginne mit einer Schilderung der Ereignisse, sowie ein paar Hintergrundinformationen, um meinen Blickwinkel auf diese Dinge auszuführen, doch möchte ich den Leser zuvor noch beschwören, daß er mich nicht zu früh abschreiben soll. Ich möchte nochmal betonen, daß es nicht der Wahnsinn sein kann der aus mir spricht. Nicht, daß ich nicht schon mal eine ähnliche Diagnose gestellt hätte, doch verging diese Ahnung und wich tatsächlicher Klarheit über die Realität der Angelegenheit.

Allem voran, ich hatte eine wohl behütete Kindheit, fernab vieler der großstädtischen Probleme, vom Mobbing bis zu den anderen Formen der Gefahr in Form von Kriminalität. Nein, in unserem kleinen Ort kannte jeder jeden und die Schule war auch nicht weit entfernt, soll heißen, es bestand ein positives Klima in diesem Umkreis. Ich möchte mit meinen Ausführungen so vorsichtig und realitätsnah wie möglich sein und deshalb noch erwähnen, daß selbstverständlich nicht immer alles wie im Schlaraffenland war und mein jetziger Lebensabschnitt ein geknoteter Strick einer illusorischen Kindheit ist, der sich nun zuzieht. Nein, wie jedes Kind hatte auch ich natürlich meine Problemchen von Zeit zu Zeit, die aber kaum nennenswert sind, sondern nur meine Bedenken des vorigen Satzes verwerfen sollen.
Ich lebte mit meinen treu sorgenden Eltern und meinem großen Bruder in einer mittelgroßen Wohnung. Das Verhältnis in der Familie war sehr gut und ich danke meinen Eltern bis heute für ihren tollen Einfluss und insbesondere ihre Eigenschaft, daß man mit ihnen über alles sprechen konnte. Mit meinem Bruder schlief ich damals noch in einem Zimmer, was gar nicht so schlecht war, weil ich ein recht ängstliches Kind war, ganz klassisch, Dunkelheit und unförmige Ungeheuer. Mein großer Bruder war aber mutiger, weil logischerweise auch älter als ich und ich hatte keine Zweifel daran, daß er alle bösen Monster bestimmt vertreiben konnte.

Aber all diese Personen sind in meiner Erzählung keine Protagonisten. Nein, außer meiner Wenigkeit spielt in diesem Stück eigentlich nur ein weiteres Ding mit.

Als ich klein war, wurde mir von unserer Nachbarin ein Kuscheltier geschenkt. Ich kann mir schon vorstellen, was für Bilder dem Leser oder den Lesern im Kopf rumspuken. Die verfluchte Puppe einer alten Hexe, die ab dato den Besitzer plagt. Meine Freundin und sicherlich baldige Ex hatte auch nicht mehr als lächerliche Horrorreferenzen für mich übrig. Die Nachbarin war wie eine zweite Mutter für mich und das Geschenk, nunja, ein wohl gemeintes Geschenk. Das Kuscheltier war ein Pinguin, neu in einem Supermarkt gekauft (zumindest gehe ich davon aus) ohne nennenswerte Merkmale. Weiße Brust, gelber Schnabel und gelbe Füße und einen schwarzen Rücken und Kopf. Der oder die Leser müssen von dieser Tatsache schrecklich enttäuscht sein, denn die Trivialität dieser ganzen Ereignisse muss sich wohl schrecklich langweilig lesen. Doch schreibe ich hier ja schließlich auch keinen Roman, sondern, wie bereits gesagt, eine Art Brief, adressiert an Niemanden, der meiner Angst Luft machen soll.

Und trivial geht es auch erst mal weiter. Dieser Pinguin war mein einziges Kuscheltier und ich hatte eine recht starke Bindung zu ihm. Sicherlich nicht so stark wie manch andere Kinder, die ihren Kuscheltieren Namen geben oder ihnen kleine Häuschen bauen. Nein, ich habe meinen Pinguin lediglich in den eigenen vier Wänden ständig mit mir rumgetragen. Wenige Jahre später noch lag er ganz ikonographisch in meinem Bett herum. Nun natürlich bereits mit der ein oder anderen Gebrauchsspur, wie etwa einem verfärbten und gar nicht mehr so weißem Bauch, einem fehlenden Auge, einem Riss auf dem Rücken, wo das weiße Innenleben raus schaute und einem zerfetzten Fuß. Ich kann nicht leugnen, daß es mich schon etwas störte, daß ein damaliger Freund ihn im Zuge eines spaßigen Abends nahm und das Loch am Rücken nutze um ihn regelrecht zu zerfetzen, aber ich war zu dieser Zeit nun definitiv aus einem Alter raus, in dem ich meinem Freund Vorwürfe für das Zerstören eines Kuscheltieres machen konnte. So flogen schon am nächsten Tag die Überreste des einst geliebten Stofftieres auf den Müll. Ein Szenario, wie es in diesem Land sicherlich täglich auftritt. Kuscheltiere werden entsorgt, wenn die Kinder sie nicht mehr brauchen, das heißt, wenn sie denken erwachsen zu sein.

Soweit die Vorgeschichte. Der Leser soll sich nun fragen, ob daran etwas ungewöhnlich ist. Denn das ist die Frage, die ich mir nächtlich stelle. Warum ich? Warum muss ich mit den Konsequenzen dieses Handelns leben, während viele, viele Menschen das ganz offensichtlich nicht müssen? Warum werde nur ich verfolgt?

Es begann vor genau 7 Monaten, 2 Wochen und 3 Tagen. Das weiß ich so genau, weil dieser Tag mein Leben veränderte. Sein „Leben im Griff“ zu haben empfand ich immer als sehr wichtig. Eben das zu tun, was man sich vorgenommen hat. Doch ich kann nicht leugnen, daß dieser Tag mein Leben völlig aus der Bahn geworfen hat, nein, mehr noch eigentlich der nächste und übernächste. Jede weitere folgende Nacht erhärtete nämlich den Verdacht, daß ich nicht nur einmal verfolgt werden sollte.
Nun aber soll der Leser auch nicht mehr länger in Unwissenheit gehalten werden, was denn nun die Plage darstellt. Ich weiß, man wird mich belächeln. Ich weiß, man wird mir Wahnsinn unterstellen, ausstoßen und auslachen. Aber ich muss es schreiben. Das, was mich verfolgt, ist mein alter Pinguin. Traurig, aber wahr. Keine Dunkelheit, keine unförmigen Ungeheuer. Jede Nacht steht dieses schwarz-weiße Flügeltier neben meinem Bett und beraubt mich mit seinen Tiraden meines Schlafes.
Ich möchte hier erwähnen, daß der Pinguin äußerlich so ziemlich jeder Pinguin sein könnte, denn sieht er seinem weggeworfenen Vorbild kaum ähnlich. Wenn ich nach wenigen Minuten Schlaf wegen seinen Monologen die Augen aufreiße steht er immer gleich neben meinem Bett, bevor er anfängt, wie durch meine geöffneten Augen getrieben, durch das Zimmer zu gehen um seine Vorwürfe weiterzuführen. Entgegen seines damals so puristischen Äußerlichen, wirft er sich für seinen nächtlichen Auftritt immer sehr in Schale. Sakko, Hemd, Krawatte und Zylinder kleiden ihn. In dem Sinne könnte man, wie gesagt, davon ausgehen, daß es nur irgendein Pinguin wäre. Doch sind seine Aussagen alles andere als unspezifisch oder unpersönlich. Ja, tatsächlich sind Vorwürfe der Anlass für seine Besuche, und zwar darüber, daß unsere gemeinsame Zeit für ihn zwischen Zigarettenstummeln, ausrangierter Kleidung und Plastiktüten endete. Meine Freundin sagte mal, daß ich mich drüber amüsieren sollte, aber ich kann ein gewisses Schuldgefühl tatsächlich nicht von mir schieben. Selbstverständlich weine ich nicht jedem unbelebten Müll hinterher, den man täglich erzeugt. Aber vielleicht füllen Emotionen, gemeinsame Zeit und kindliche Zuneigung ja doch leblose Gegenstände mit…irgendwas. Der Bauer, der seine Katze in einen Sack steckt um sie in den nahen Fluss zu werfen, die Mutter, die ihr Neugeborenes in einer Kinderklappe verstaut, das Muttertier, das seine eigenen Kinder frisst. All ihnen fühle ich mich gleich.

Doch Mitleidsbekundungen und Entschuldigungen prallen am erhabenen Wesen des Tieres ab. Früher hätte ich mir das Überlegen sollen sagt er. Unachtsamkeit und Naivität sind keine Entschuldigungen sagt er. Ich habe die Folter verdient sagt er.

Morgen ist der erste Termin mit meinem Psychiater und ich hoffe auf Medikamente. Ich brauche Schlaf und Ruhe.

Ich danke dem Leser, wer auch immer das sein mag, für seine Aufmerksamkeit.

Was ist ein Mörder? (1)

Ich bin mir sicher, daß ich im letzten Beitrag jenes Wort zu selbstverständlich benutzt habe. Ein Mörder ist ein Tätiger, faktisch jemand, der anderen Menschen das Leben nimmt. Aber mein Geist schlägt Pirouetten, denn hier unterscheidet sich der Mörder von etwas anderem. Dieses "Andere" bedarf einer Definition, derer ich nicht nicht schuldig bin. Wörter sind Schall und Rauch. Ich will nur definieren.

Für mich ist ein Mörder ein Opfer. Wohlgemerkt kein Opfer einer schwierigen Kindheit, nicht eines Mobbings, nicht von Schuldruck, nicht von Gewaltspielen oder was es auch alles für Erklärungen gab. Ein Mörder ist Opfer einer Macht. Diese ist selbstständig, stark einnehmend. Sie widerstrebt den Eigenheiten des Menschen, der Liebe, der Zwischenmenschlichkeit. Der Protagonist spürt sie, wie sie sich heranschleicht, sich nähert. Sie zeigt sich im Interesse an Tod, an Verwesung, an Schaden, Blut. Dieses Spektrum reicht von einem minimal morbiden Interesse an düsterer Kunst, bis hin zu sexueller Anziehungskraft von Verwesung. Jeder, der einmal den Mord als Höhepunkt eines Krimis gespürt hat, kann die minimalste Form dieses Phänomens nachvollziehen. Nun stelle man sich vor, daß dieses Gefühl bei manchen Menschen grundlegend vertausendfacht ist. Das ist der Mörder. Er will sich benehmen, er will dazu gehören, doch all seine Gedanken drehen sich nur im das Mörder-sein. Und dabei sind die Überredungskünste des Mörders so stark, daß der innere nette Mensch sich mit ihm verbrüdert, wissend, daß es gegen ihn wirkt, allerdings auch wissend, daß es seine einzige Chance ist, überhaupt etwas zu sein. Unbewusst-bewusst im Äußeren. Richard Dahmer ist die Ausformulierung dieses Wesens.

Was ist nun im Volksmund sonst ein Mörder? Das beste Beispiel dafür ist der Nightstalker Richard Ramirez. Vielleicht war auch er mal Kind dieses oben genannten Widerspruchs, doch übertraf er es. Er hörte nicht die Stimme, er wurde zu der Stimme. Wie ich im letzten Text erwähnte, nicht Empfänger der Stimme des Buchs, sondern die Stimme selbst. Ramirez war ein Monster, eine Person, mit der man keine 5 Minuten in einem Raum überlebt hätte. Völlig im Gegenteil zu vielen anderen.

Mörder sind Besessene. Der Trieb zu Tod und Verderben flüstert ihnen täglich ins Ohr. Dieser Trieb manipuliert nicht nur ihr Sozialverhalten, sondern boykottiert auch jedwede Form von größerem Erfolg in ihrem Leben. Opfer.

Die Liebe sei dir auf ewig versagt.
Das Tor ist hinter dir geschlossen,
Auf der Verzweiflung wilden Rossen
Wirst du durchs öde Leben hingejagt,
Wo keine Freude dir zu folgen wagt.

Dann sinkst du in die ewge Nacht zurück,
Sieh tausend Elend’ auf dich zielen,
Im Schmerz dein Dasein nur zu fühlen!
Ja, erst im ausgelöschten Todesblick
Begrüßt voll Mitleid dich das erste Glück.


Für niemanden war Tiecks Gedicht Melankolie jemals besser bestimmt. Tod ist das einzige Mittel von Befriedigung. Viele Selbstmörder fanden sich glücklicherweise im Freitod, denn hätten sie ihrer sukkubischen Stimme entsprechend ihre Monströsität auch anders erleben können.

(Ende, Teil 1)

21
Jan
2014

Der Mörder in mir

Ich habe mich in meinem Leben sehr oft mit Mördern verglichen. Doch habe ich weder jemals in meinem Leben gemordet, noch so einen Versuch unternommen. Praktisch gesehen ist auch das der springende Punkt. Ich unterstütze die Taten der von mir geliebten, ja, ich betone das, geliebten Serienmörder nicht. Im Gegenteil, ich blende diese Taten regelrecht aus. Wenn man das erfolgreich extrahiert hat bleibt ein bestimmtes Sekret übrig. Dieses ist definiert, auch bei all den unterschiedlichen Tätern, durch Weltekel, Verachtung von Menschlichkeit, Unwillen zur Alltäglichkeit und einem Hauch zur Todesliebe, zur Todessucht. Und spätestens hier kann ich nur noch Identifizierung finden.

„Warum willst du Clown werden? Denk nach.

Weil…ehm…

Sag es schon verdammt! Wieso musst du Clown werden? Kannst du nicht antworten? Es gibt doch sicher einen Grund dafür. Niemand wird einfach so zum Clown. Spucks aus. Was ist es? Die Angst vor dem Leben? Folgst du einer Familientradition? Oder liebst du es erniedrigt zu werden?

Was ist mit ihnen?

Wenn ich nicht Clown geworden wäre, wäre ich Mörder geworden.

Bei mir ist es ebenso.“


Mad Circus - Eine Ballade von Liebe und Tod (2010)

Es liegt eigentlich auf der Hand. Ian Brady gefragt nach seiner Person sagte mal er sei „das Produkt einer existenzialistischen Philosophie, gepaart mit einer Spiritualität des Todes selbst“ und Gott weiß, das bin auch ich.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine frühe Kindheit. Die Familie hatte eine Videokassette mit einem Film der Glücksbärchis, in dem ein einsamer Zirkusjunge ein Buch fand, in dem wiederrum ein grünes Frauengesicht verborgen war, daß dem Knaben böse Absichten einredete und Macht gab. Am Ende gewinnen natürlich Freundschaft und Liebe. Das Buch wird versiegelt und der Knabe erkennt seine Fehler. Ich fand das als Kind schon schwach. Damals und heute, wenn ich ein solches Buch finden würde, kein Gerede von Liebe, Zwischenmenschlichkeit und Freundschaft wäre genug mich von diesem Pfad abzubringen. Ich würde Feuer über das Land werfen, und das jederzeit.
Ian Brady sagte mal, daß wenn jede Person auf der Welt einen Druckknopf vor sich hätte, dessen Aktivierung das Ende der Welt augenblicklich herbeiführen würde, wir schon seit Ewigkeiten keine Erde mehr hätten. Viele Menschen wehren sich gegen diese Äußerung. Ich hätte es schon hunderte Male benutzt. Auch jetzt, in dieser Sekunde würde ich ihn drücken. Ein totes Universum ist ein harmonisches Universum.

Ted Bundy schrieb mal von einer Macht die er über Jahre spürte, welche ständig sein kultiviertes und intelligentes Ich verdrängte, hin zu Tod und Verderben. Ich spüre das. Und es ist bewusst und unbewusst gleichzeitig. Habe ich die Kontrolle dieses Monster zu stoppen? Ja, gewiss. Will ich es stoppen? Ich weiß nicht recht. Existenzialismus? Spiritualität des Todes? Nein, ich werde es nicht stoppen. Irgendwie liebe ich es sogar.

Drogensucht (Dahmer), Existenzialismus (Brady), Spiritualität des Todes (Brady), Dämonen (Bundy), Wut (Kemper), Liebe für Clowns (Gacy), Hingezogenheit zu Tod (Gein). Bin ich ein Mörder? Bestimmt nicht. Aber der rote Faden ist sehr deutlich.

20
Jan
2014

Tz, als wäre ich ein Löwe

"I'm nobody
I'm a tramp, a bum, a hobo
I'm a boxcar and a jug of wine
And a straight razor ...if you get too close to me.
"

- Charles Manson

Ich kann mich in diese Zeilen wunderbar reinversetzen. Auch ich bin nicht der Rede wert, was nicht wehleidig oder traurig klingen soll. Aber gerade das „Nobody“, insbesondere im Bezug zu charakterlichen Eigenschaften hängt mir sehr nach. Schon, es mag normal sein sich gegenüber Freunden und Bekannten, Chef und Arbeitskollegen, Fremden und Kunden anders zu verhalten. Doch kommt es mir vor, als wäre mein Charakter so flatterhaft, so kaleidoskopisch, daß ich schon gar nicht mehr erkenne, wo ich denn eigentlich stehe. Wenn ich nun durch meinen Alltag gehe, freundlich und lustig bin, den Menschen sage, daß es mir gut geht und in jedweder Hinsicht den Eindruck des freundlichen Mitbürgers erwecke, mit Eigenheiten, selbstverständlich, dann aber abends in meinem Turmzimmer sitze, mich betrinke und an allem labe was mit Tod, Verderben, Mord, Selbstmord, Folter und Drogenrausch zu tun hat, dann frage ich mich, ob letzteres der einzige nachvollziehbare Charakterzug meinerseits ist.

Neulich betrank ich mich abends wieder, zog einen Anzug an und trug mir Clownschminke auf. Ich fotografierte mich dann mit einer leeren Flasche Whisky in der Hand, weinend. Vor einer Woche schnitt ich mir nach einer Flasche Wodka mit meinen neuen Küchenmessern acht zeigefingerlange Schnitte in meinen Unterarm und fotografierte das viele Blut. Als ich dann am nächsten Tag müde und mit schmerzendem Arm zur Arbeit ging, ausnahmsweise mit einem langärmeligen Hemd, damit man die Wunden nicht sieht, antwortete ich auf die Frage „Wie gehts?“ meiner Chefin, mit „Gut.“.

Schauspielern ist anstrengend. Ich stolpere zeitweise über die Wörter in meinen Gedanken, während ich von heiler Welt rede. Gott sei Dank sind normale Antworten meist kurz und schnell abgehakt. Die Antwort „Mir geht es elendig. Ich fühle mich in dieser Welt einfach nicht zuhause. Der fantasiereiche Kosmos meiner Kindheit wurde zu schnell durch Verpflichtungen und Ernsthaftigkeit ausgetauscht. Verdammt, ich möchte im Wald spielen gehen.“ wäre nur ein kleiner Einblick und würde sicherlich schon dazu führen, daß mir geraten würde professionelle Hilfe zu suchen. Aber das habe ich schon. Ich habe drei Therapietermine pro Woche. Montags Gruppe für Drogensucht, Dienstags Psychotherapie und Freitags Einzeltermin für Drogensucht, und bei allen habe ich mich ursprünglich freiwillig gemeldet. Aber auch hier führt mein flatterhaftes Wesen dazu, daß ich die Termine an sich gerne wahrnehme weil sie immer interessant sind, jedoch auch da oft schauspiele. Man könnte nun meinen, daß ich es mit Profis zu tun habe, die solche, ich möchte es nicht bagatellisieren, Lügen ohnehin durchschauen. Doch auch ich bin ein Profi meiner Profession.

Mir rotierte neulich das Wort „treat“ im Kopf und der Gedanke, ob nicht jeder so etwas braucht. Meine Definition des Wortes, zumindest wenn ich es benutze, wäre etwas, daß man sich nach einem anstrengenden Arbeitstag genehmigt. Ich weiß von manchen Menschen, daß sie dafür Schokolade benötigen, Nähe zu anderen Menschen, die Zeitung oder einen Film, ein Glas Wein oder eine Zigarette. Auch ich habe sowas nötig, doch ganz meinem extremisierenden Wesen entsprechend ist es der Wein, und davon 2 Flaschen. Ich kann nicht sagen, daß es nicht beruhigt an sich rum zu schneiden, aber kann man das nicht ständig machen.

Ich habe immer mal wieder monatelange Abstinenzphasen in denen ich den Alkohol vermeide. Ich würde nicht mal sagen, daß mir das schwer fällt. Doch auch hier brauche ich einen dieser „treats“. Ich habe dann angefangen als Nichtraucher mir hie und da mal eine Zigarette zu gönnen. Das Wort „gönnen“ hat hier einen regelrecht komödiantischen Aspekt, denn ist es letzten Endes das genaue Gegenteil. Rauchen führt bei mir zu Übelkeit, Schwindel, kaltem Schweiß und Blässe. Soll heißen, wenn ich meinen Körper schon nicht durch Alkohol zugrunde richte, dann finde ich immer andere Wege. Ich bin nicht polytox, absolut gar nicht. Ich bin niemals auf Nikotin angesprungen und auch Cannabis spricht mich nicht an. Mehr noch, ich finde Alkohol eigentlich abartig. Ich hasse betrunkene Menschen, fühle mich unwohl auf diesen suffgeschwängerten Massenveranstaltungen und empfinde sogar den Geschmack als anstrengend. Doch, was das Beispiel mit den Zigaretten andeuten soll, geht es nicht um eine Substanz. Es ist der grundlegende Drang zur Auslöschung, zur Leere, zur Einsamkeit.

In dem Raum, in dem wir die Gruppentherapie halten hängt ein großes Bild im Hintergrund, welches einen Leuchtturm an einer Küste zeigt, an dem eine Holzhütte angebunden ist. Obwohl der Fokus auf dem Turm und dem Haus liegt, mitsamt dem Meer im Hintergrund, erweckt das Bild den Eindruck, daß meilenweit um diese Architektur keine Menschenseele lebt, bis auf den alten, grauen und verschrobenen Mann, der die Technik verwaltet und die Seefahrer vor den gefährlichen Felsen rund um die Küste schützt. Natürlich ist dieser auf dem Bild nicht abgebildet. Obwohl meine eigentliche Liebschaft zur Kunst sich irgendwo zwischen Dadaismus und Futurismus findet, können mich solche Werke auch zutiefst ansprechen. Ich stelle mir dann vor, wie es da riechen wird und wie es sich vor Ort anfühlt. Die frische, kalte und klare Luft, der Geruch von Meer und dem Holz der Hütte. Geräusche von Wellen, die gegen die Küste stoßen, das Krächzen der Vögel und der Wind der ins Ohr rauscht. All das und trotzdem Stille. Ich stelle mir diesen Ort schöner vor als alles was ich bisher erfahren habe.

Doch ob das eine Lösung wäre? Vor zwei Jahren war ich mal mit Freunden im Elbsandsteingebirge auf Wanderschaft und genoss all die Leere und Weite. Es gab Plätze an denen man keine städtischen Geräusche wahrnahm und Orte, an denen bis zum Horizont nur Fels und Wald zu sehen war. Ja, ich fand es großartig. Doch am vorletzten Tag konnte ich den Gedanken nicht von mir weisen, daß das ohnehin alles nur Illusion ist. Was mache ich mir vor? In spätestens 10 Kilometern Entfernung ist alles wie immer. Man gerät von einem Käfig in einen Käfig, wie Yukio Mishima mal schrieb.

“When a captive lion steps out of his cage, he comes into a wider world than the lion who has known only the wilds. While he was in captivity, there were only two worlds for him - the world of the cage, and the world outside the cage. Now he is free. He roars. He attacks people. He eats them. Yet he is not satisfied, for there is no third world that is neither the world of the cage nor the world outside the cage.”

Tz, als wäre ich ein Löwe...

16
Jan
2014

Wirres Zeug am 16.1.

Es ist fraglich, ob die Welt durch den Wein klarer oder vernebelt wird. Ich selbst gehöre zu den Alkoholikern, die Jack London folgend beschreibt:

"Der andere Trinkertyp hingegen hat Einbildungskraft und Visionen. Selbst im schwersten Rausche geht er aufrecht und gerade, schwankt und fällt nicht, sondern weiß immer genau, wo er ist und was er tut. Nicht sein Körper ist trunken, sondern sein Hirn. Er kann von Geist strahlen, von Kameradschaftlichkeit überströmen. Oder er kann jene Gespenster und Visionen des Geistes sehen, die natürlich und logisch wirken und die Gestalt von Vernunftschlüssen annehmen. In diesem Zustand streift er die Schale von den gesundesten Illusionen des Lebens und betrachtet ernsthaft den eisernen Reif der Notwendigkeit, der um den Hals seiner Seele geschmiedet ist. Das ist die Stunde, da König Alkohol seine feinsten Kräfte entfaltet. Es ist kein Kunststück, in einen Rinnstein zu fallen. Aber es ist eine schreckliche Feuerprobe für einen Mann, aufrecht und sicher auf den Beinen zu stehen und festzustellen, daß es auf der ganzen Welt nur eine einzige Möglichkeit gibt, seine Freiheit zu gewinnen - nämlich, seinem Todestage vorzugreifen. Dann hat dieser Mann die Stunde der weißen Logik [...] erreicht, und dann weiß er, daß er nur die Gesetze, nie aber ihren Sinn erkennen kann. Das ist die Stunde der Gefahr für ihn. Dann beschreitet er den Weg, der ins Grab führt."

(Jack London, König Alkohol S. 9)

Ich bin nie betrunken umgefallen oder an zufälligen Orten eingeschlafen. Meine Kontrollsucht verbietet zu merkwürdige Aussetzer. Es ist wohl so, daß Kontrolle und Sucht ein Gegenteil darstellen sollen, doch bleibt bei exzessivem Konsum mitsamt willentlichem Aspekt ein Faktor an erster Stelle, und das ist der eigene Tod. London stellt es schon dar und wenn man so ein Feigling wie ich ist, bleibt nur der langsame, schleichende Tod via Abhängigkeit. Feigling? Ja, ich habe Höhenangst, so paradox es klingen mag. Klingen finde ich trotz 68 eigens zugeführten Narben dennoch plump und unangenehm. Tabletten wären in Ordnung.

Ich besuchte neulich einen Vortrag der Autorin und Philosophin Thea Dorn zum Thema des Menschen und des Konflikts, in welchem sie sagte, daß ein konfliktloses Universum ein totes Universum sei. Ich kam nicht umhin den Umkehrschluss zu sehen, der da lauten würde, daß ein totes Universum ein harmonisches Universum ist. Tod sein ist bestimmt ein Nicht-Sein, wie ein Schlaf. Wie das samstagmorgendliche Aufwachen unter der warmen Decke, wissend um die viele Freizeit und halb träumend, aber warm, gemütlich warm. Glücklich.

Gibt es eine Macht, die bestimmte Menschen Richtung Ende drängt? Ganz bestimmt. Hunter S. Thompson hatte seinen Selbstmord lange Zeit ganz selbstverständlich angekündigt und keiner seiner Verwandten war überrascht, als es soweit war. Zweifelsohne wäre es müßig weitere Beispiele für diesen Trieb zu nennen, denn gäbe es derer zu viele, ja, sogar ganze Bewegungen die sich dem Tod mehr oder weniger bewusst verschrieben.

Die bildende Kunst aber soll es sein, die den Beitrag gebührend erweitert. Bezüglich des "Angelus Novus" von Paul Klee gibt es die weltweit bekannt gewordene Interpretation von Walter Benjamin, welche den Engel in einem Licht sieht, daß von Zivilisationsschwäche, Fortschrittsmüdigkeit und Wandelsunwillen geprägt ist. Das Paradies lässt alle später aufkommenden Momente des Menschen als fade, abgegriffen und lau dastehen. Tatsächlich beschrieb zum Beispiel E.M. Cioran seine Kindheit als paradiesisch, aber auch Menschen wie Ian Brady betonten, daß sie eine vollkommene Welt vor dem höchstpersönlichem Sündenfall mal erlebt haben. Auch mir ging das so.

Am Ende eines solches Abends, lieber Leser, bleibt nicht mehr als der ewig als Echo wiederkehrende Satz von Cioran:

"Es gibt in der Tatsache, geboren zu werden, einen solchen Mangel an Notwendigkeit, daß man, wenn man einmal mehr als gewöhnlich darüber nachdenkt, mit einem dümmlichen Lächeln dasteht, weil man nicht weiß, wie man sich verhalten soll."

(E. M. Cioran)

Wenn ich Atheist wäre, würde ich niemals arbeiten gehen. Ich verspüre keine Verpflichtungen gegenüber dem Staat oder dieser kapitalistischen Gesellschaft. Man ist doch nur ein Blinzeln der Geschichte, ein Staubkorn, ach bitte, weitaus weniger. Viele Menschen in der Geschichte haben Großes getan und niemand erinnert sich heute dran. Nicht daß Ruhm etwa ewiges sei, aber wofür das alles, frage ich? Die letzte Generation arbeitete bis zum Tod und ich gestehe, ich weiß das zu respektieren. Respekt ist aber kein Nachvollziehen. Bin ich zu eigen? Mag sein. Ja, mag sein. Ich verstehe schon, wenn jemand arbeitet um dem Nachwuchs etwas zu bieten, doch verschließt sich mir die Einsicht bei harter Arbeit zum Wohle der Firma oder ähnlichem. Aber auch das ist müßig.

Ich habe mich sicherlich einfach der Sünde der Acedia verschuldet. Ohja, ich liebe das Nichtstun, und dazu sei gesagt, daß ich mehreren Arbeitsplätzen gleichzeitig diene. Mein Wesen selbst aber unterstützt das nicht. Ja, ich hasse Arbeit. Nicht prinzipiell, aber individuell.

I can´t load a bullet and I can´t use a gun. ♫♫♫
I can have no children, so I won´t have a son. ♫♫♫
I can´t wake up early, so nothing will grow. ♫♫♫
I lay on my land till the sun hangs low.
♫♫♫


(Reverend Glasseye - God help you, dumb Boy)

Ich hatte mal eine Phase, in der ich Anarchie und Primitivismus hoch gelobt habe, praktisch als Ideologie, die das Gute im Menschen in den Vordergrund hebt, gemäß der Theorie, daß in einem natürlich belassenen Umfeld solche Erben wie Bösartigkeit, Hass und Verbrechen erst gar nicht ent- und bestehen. Ohja, im Rausch der Ideologisierung macht ja jeder Unfug Sinn und man ist gerne bereit auch die fiesesten argumentativen Streiche zu nutzen um das zivilisatorische Argument auszustechen, jedoch, was habe ich mir vorgemacht, es ist nutzlos. Der Mensch war immer der Mensch, egal in welchem Umfeld. Man war nie ein Tier, getrieben von Instinkten. Man war nie ein Stein, getrieben vom Nichts. Man war nie eine Pflanze, getrieben von Notwendigkeit. Man ist eben nur Mensch, geplagt von allen Schwächen, aber in erster Linie vom biblischen Gen 1, 28 wo es heißt "Seid fruchtbar und mehret euch [...]", wobei sich selbstverständlich "furchtbar" und "fruchtbar" wohl verwechselten.

Doch freue ich mich über mein Benutzerbild, denn es zeigt mich gerade besser als es jedes Foto könnte.

Gute Nacht, ihr Lieben.

13
Jan
2014

Herzlich Willkommen, Märzhase

Ja, dies soll mir ein frischer Bau sein, in dem insgeheim die Schreibwut ausgelebt werden kann. Ach, wie freu ich mich...
logo

Märzhases Tagebuch

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Ich bin jetzt bei
https://0179f1.wixsite.com /website Stromert bitte...
Märzhase - 21. Mär, 00:41
#25
Haigha war betrunken. Dreiviertel betrunken könnte...
Märzhase - 24. Feb, 23:17
#26
Wusstest du eigentlich das J tot ist? Nein, woher...
Märzhase - 24. Feb, 23:01
Und so
Meine Wochenende verbringe ich mit dem Sturz in den...
Märzhase - 8. Feb, 22:23
<3
Life in a nutshell. And yet the squirrels won't digest...
Nighfothelepus - 16. Mär, 15:13

Links

Suche

 

Status

Online seit 4115 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 21. Mär, 00:41

Credits


Alltag
Altes
Grundlegendes
Tag
Unsinn
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren